Häufig wird Einsam sein mit Alleinsein verwechselt. Doch in der Psychologie bezeichnet Einsamkeit nicht das Fehlen sozialer Kontakte, sondern das Gefühl, dass in diesen Beziehungen etwas fehlt. Tatsächlich kann man sich sehr einsam fühlen, auch wenn man jeden Tag von Kollegen, Freunden oder sogar einem Partner und Kindern umgeben ist.

Solltest du dich hierin wiedererkennen: Du bist nicht allein! Laut dem Einsamkeitsbericht der Bundesregierung gibt es Millionen Betroffene in Deutschland, und gerade Lebensveränderungen wie der Beginn einer Familie sind ein großer Risikofaktor. Auch die ehemalige Familienministerin Lisa Paus betonte: "Einsamkeit ist eine Herausforderung für die gesamte Gesellschaft."

Das verdeutlicht: Wenn du dich gerade trotz Familie einsam fühlst, liegt das nicht daran, dass mit dir etwas nicht stimmt. Stattdessen ist es ein Problem, das unzählige Menschen betrifft, aber oft verschwiegen wird. Doch Einsamkeit verdient Aufmerksamkeit, keine Scham. Denn nur so lassen sich Lösungen finden. Darum sprechen wir heute darüber.

Wie kann ich mich einsam fühlen auch wenn ich von Menschen umgeben bin?

Der Grund, wieso Einsamkeit und soziale Isolation nicht das Gleiche sind, liegt daran, dass sich das Gefühl von Nähe nicht aus der Anzahl der Menschen in unserem Umfeld ableitet, sondern aus der Qualität dieser Beziehungen. Der Einsamkeitsforscher John Cacioppo benannte das einst in einem Interview wie folgt: "Einsamkeit ist nicht die physische Abwesenheit anderer Menschen sondern das Gefühl mit diesen nichts teilen zu können was dich bewegt" (eigene Übersetzung). Darum ist es so weit verbreitet, dass in Familien gemeinsam gegessen und gelebt wird, aber dennoch man sich einsam fühlt. Gerade diejenigen, die familiäre Rollen haben, die sich sehr ums Kümmern drehen – etwa als Elternteil – sind in Gefahr, wenig Raum zu finden, um selbst ihr Erleben und Gefühle zu teilen. Das resultierende Gefühl der Einsamkeit ist oft von außen unsichtbar, doch das resultierende Leid ist real.Wenn du das bei dir selbst wahrnimmst, ist das der erste wichtige Schritt, um etwas zu verändern. Funktionierst du im Alltag, aber Möglichkeiten über deine Gefühle zu reden fehlen? Vielleicht erkennst du bei dir selbst auch Muster wie etwa das Gefühl stark für deine Familie sein zu müssen? Lass uns darüber im nächsten Absatz überlegen, wie weniger Einsamkeit auch in Familien möglich ist.

Was du tun kannst wenn du dich trotz Familie einsam fühlst

Einsamkeit ist ein komplexes und vielschichtiges Gefühl. Vielleicht wünscht du dir nun eine einfache Lösung, ein "Ibuprofen gegen Einsamkeit". Aber es wird dich sicher wenig überraschen das es eine solche schnelle Lösung für alle leider nicht gibt. Aber: Es gibt gut erforschte und bewährte Techniken aus der klinischen Psychologie, die dir nachweislich helfen können dich weniger einsam zu fühlen. Der Kerngedanke: da die Qualität von Beziehungen entscheidend ist um sich weniger einsam zu fühlen, hilft es am meisten bestehende Beziehungen aktiv zu stärken statt neue aufzubauen. Hierfür stellen wir dir im Folgenden 3 evidenzbasierte Übungen vor, die du in deinem täglichen Alltag nutzen kannst:

1. Wirklich zuhören statt sofort lösen: Gerade im hektischen Familienalltag sind wir es gewohnt, Probleme schnell zu lösen. Für eine kaputte Waschmaschine mag das sinnvoll sein, in Beziehungen aber funktioniert dieser Ansatz oft nicht. Studien zeigen: Wirkliche Verbindung entsteht nicht durch Lösungen, sondern durch echtes Verstehen. Versuche beim nächsten Gespräch, nicht sofort Tipps zu geben, sondern erst einmal zuzuhören, nachzufragen und die Gefühle deines Gegenübers in eigenen Worten zu spiegeln. Zum Beispiel: „Das klingt, als hättest du dich richtig allein damit gefühlt.“ Dieses empathische Spiegeln ist eine der wirksamsten Techniken aus dem Training sozialer Kompetenzen. So kannst du mehr Nähe in deinen Beziehungen schaffen.

1. Gefühle aktiv teilen: In vielen Familien gibt es kaum Raum, über persönliche Gefühle zu sprechen. Dabei ist genau das ein entscheidender Schritt aus der Einsamkeit. Du kannst damit anfangen, in kleinen Momenten offen zu sein. etwa durch Ich-Botschaften wie: „Ich merke, dass ich mich in letzter Zeit oft erschöpft fühle.“  Indem du dich zeigst, ermöglichst du auch anderen, sich zu öffnen. In der Psychologie nennt man das Selbstöffnung. Sie ist eines der wirksamsten Beziehungsangebote, das du machen kannst.‍
2. Verbindungsrituale etablieren: Im Familienalltag fehlt oft einfach die Zeit für Nähe und Begegnung. Umso hilfreicher kann es sein, kleine Rituale einzuführen, die regelmäßig Nähe ermöglichen. Das kann ein fester Spaziergang pro Woche sein, ein gemeinsamer Kaffee am Sonntag oder ein kurzes Abendritual zum Innehalten. Wichtig ist, dass diese Momente nicht dem Zufall überlassen werden, sondern bewusst in den Alltag eingeplant sind. Psychologische Forschung zeigt: Je konkreter du dir vornimmst, wann und wie ein sozialer Kontakt stattfinden soll, desto eher wird daraus eine stabile Gewohnheit. Schreibe dir gerne einmal auf: Mit wem möchtest du ein solches Ritual etablieren? Und wie könnte das ganz konkret in deinen Familienalltag sich einfügen?

Einsamkeit trotz Familie ist häufig, aber lässt sich verändern.

Viele Menschen fühlen sich trotz Familie einsam. Oft fehlt der Raum für Nähe im hektischen Familienalltag. Aber die gute Nachricht ist: Du kannst hier selbst etwas gegen tuen. Schon kleine Impulse in der Beziehungsgestaltung können einen großen Unterschied machen und auch ohne neuen Menschen in deinem Leben dir ein größeres Gefühl der Nähe verschaffen.

Wir haben dir hier 3 effektive Techniken vorgestellt, die du gerne regelmäßig nutzen kannst. Auch unsere App philia: relationships matter hat hier zahlreiche weitere Angebote, die unmittelbar aus der kognitiven Verhaltenstherapie stammen und zahlreichen Betroffenen in ähnlichen Situationen helfen konnten. So kannst du die Werkzeuge erlernen, die du brauchst um die Einsamkeit loszuwerden.

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